Nach wie vor untersagen viele Arbeitgeber ihren Arbeitnehmern jegliche Nebenbeschäftigung, wobei solche Klauseln bereits bisher schon unzulässig waren. Mit der neuen Richtlinie (EU) 2019/1152 („Transparenz-RL“), die am 1. August 2022 in Kraft getreten ist, ist damit nun Schluss.
In Artikel 9 sieht die Transparenz-RL erstmals die Möglichkeit der Mehrfachbeschäftigung von unselbstständigen Arbeitnehmern vor, sodass ein Arbeitgeber dem Arbeitnehmer nicht grundlos verbieten darf – außerhalb der vereinbarten Arbeitszeit – ein Arbeitsverhältnis mit anderen Arbeitgebern aufzunehmen, noch ihn benachteiligen darf, falls er dies tut. Den Mitgliedstaaten steht es jedoch offen, Bedingungen festzulegen, bei deren Vorliegen die Arbeitgeber aus objektiven Gründen Unvereinbarkeitsbestimmungen anwenden dürfen. Beispielhaft führt die Richtlinie Gründe der Gesundheit, der Sicherheit, zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen, der Integrität des öffentlichen Dienstes oder zur Vermeidung von Interessenkonflikten an.
Anpassungsbedarf im österreichischen Recht?
In Österreich dürfen Nebentätigkeiten der Arbeitnehmer als Ausfluss der dienstvertraglichen Treuepflicht beschränkt werden, wenn sie sich nachteilig auf die Verwendung des Dienstnehmers im Betrieb des Arbeitgebers auswirken und dementsprechend eine verminderte Arbeitsleistung, eine Konkurrenzierung des Arbeitgebers oder eine Rufschädigung des Unternehmens nach sich ziehen.
Gesetzliche Nebentätigkeitsverbote finden sich unter anderem in § 7 AngG, in § 122 Abs 1 Z 4 ArbVG oder § 82 lit e GewO 1859 – zur Ausübung der dort verbotenen Tätigkeiten benötigt der Arbeitnehmer jeweils die Einwilligung des Arbeitgebers.
Laut Art 9 der Transparenz-RL dürfen Arbeitgeber Nebenbeschäftigungen einschränken, wenn dies durch objektive Gründe gerechtfertigt werden kann, wobei Art 9 Abs 2 eine nicht abschließende Aufzählung dieser Gründe enthält. Die anerkannten Einschränkungsgründe des nationalen Rechtes entsprechen den in der Transparenz-RL zitierten objektiven Gründen, sodass eine Umsetzung des Art. 9 Transparenz-RL in Österreich nicht notwendig ist.
Aufgrund der nicht abschließenden Aufzählung können Arbeitgeber jedoch von nun an auch andere objektive Gründe zur Einschränkung von Nebentätigkeiten heranziehen, sodass zukünftig auch einzelvertragliche Beschränkungen von Nebenbeschäftigungen an Artikel 9 Abs 2 der Transparenz-RL gemessen werden.
Zu bedenken ist, dass es bei Mehrfachbeschäftigung zu einer Überschreitung der Höchstarbeitszeiten kommen kann. Arbeitszeitrechtlich müssen mehrere Arbeitsverhältnisse zusammengerechnet werden; dies ist unionsrechtlich erforderlich und dient dem Gesundheitsschutz. Es besteht daher jedenfalls die Pflicht des Arbeitnehmers die Arbeitgeber über Mehrfachbeschäftigungen zu informieren, sodass der Arbeitgeber die Einhaltung von Höchstarbeitszeiten oder Arbeitsruhezeiten gewährleisten kann.
Die Transparenz-RL sieht in Artikel 4 auch die Pflicht des Arbeitgebers vor, „Arbeitnehmer über wesentliche Aspekte des Arbeitsverhältnisses“ zu unterrichten, wobei Abs 2 schließlich eine wiederum nicht abschließende Aufzählung der Informationspflichten enthält. Laut geltender EuGH Rechtsprechung (Rs C-350/99, vom 8.2.2001) sind „Arbeitnehmer über einen Punkt, der in Anbetracht seiner Bedeutung als wesentliche Bedingung des Arbeitsvertrags oder des Arbeitsverhältnisses anzusehen ist, in Kenntnis zu setzen“. Da das Recht auf Mehrbeschäftigung unserer Meinung nach einem wesentlichen Aspekt des Arbeitsverhältnisses entspricht, sind Arbeitnehmer über das Recht auf Ausübung einer Nebenbeschäftigung vor Arbeitsantritt auch entsprechend zu informieren. Diese Information kann in Verbindung mit den Gründen, die eine Mehrbeschäftigung gerechtfertigt einschränken, im Arbeitsvertrag aufgenommen werden. Es ist daher notwendig, die bestehenden Arbeitsvertrags-Schablonen zu überarbeiten und an die neue Transparenz-RL anzupassen.