Nicht alle aus der Ukraine Vertriebenen gelten tatsächlich als vertrieben!

Fünf Monate nach Inkrafttreten der Vertriebenen-Verordnung zeigt sich, dass es in Österreich doch nicht so einfach ist den Ausweis für Vertriebene zu erhalten.

Mit der am 12. März 2022 in Kraft getretenen Vertriebenen-Verordnung hat die Bundesregierung den Personenkreis der besonders schutzbedürftigen Vertriebenen im Zusammenhang mit dem Krieg in der Ukraine genau definiert und festgelegt. Demnach kommt unter anderem jenen Personengruppen ein vorübergehendes Aufenthaltsrecht (vorerst bis 3. März 2023) in Österreich zu, die ukrainische Staatsangehörige mit Wohnsitz in der Ukraine sind und aufgrund des bewaffneten Konfliktes ab dem 24. Februar 2022 aus der Ukraine vertrieben wurden, sowie deren Familienangehörigen. Den betroffenen Personen wird nach Registrierung ein Ausweis für Vertriebene ausgestellt (die sogenannte „Blaue Karte“).

Doch welchen Status haben all jene Ukrainer, die am 24. Februar 2022 aus beruflichen oder privaten Gründen in der EU unterwegs waren, jedoch ebenso nicht zurück in die Ukraine kehren konnten?

Für jene, die sich im Zeitpunkt des Kriegsausbruches am 24. Februar 2022 zufällig in Österreich rechtmäßig aufgehalten haben, gilt: Nach Ablauf des visumfreien (bzw. allenfalls des visumpflichtigen) Aufenthaltes haben auch sie Anspruch auf den Ausweis für Vertriebene. Verfügen diese Personen gleichzeitig auch über ein Visum eines anderen Mitgliedstaats, zeigte sich in der Praxis das Problem, dass diesen (oft nur mündlich) mitgeteilt wurde, dass der Schutzstatus nicht erteilt werden könne und die Betroffenen Asyl beantragen müssten. In der Folge erhalten viele Betroffenen keine Entscheidung über die vorgenommene Registrierung als Vertriebene und sind dadurch allenfalls von der Grundversorgung ausgeschlossen.

Andere, die im Zeitpunkt des Kriegsausbruches am 24. Februar 2022 aus beruflichen Gründen zwar in der EU aber (noch) nicht in Österreich aufhältig waren, sind von diesem Auffangtatbestand gar nicht abgedeckt und ihnen wird derzeit auch der Ausweis für Vertriebene verwehrt. Und das obwohl auch diese Personen aufgrund des ausgebrochenen Konflikts nicht zurück in die Heimat können. Diese gelten derzeit offenbar nicht als „ab dem 24. Februar 2022 aus der Ukraine vertrieben“. In Kürze werden sich somit die Verwaltungsgerichte damit befassen müssen, weshalb diese Personen, nicht als aus der Ukraine vertrieben gelten, nur weil sie zufällig am 24. Februar 2022 privat in einem anderen Mitgliedstaat aufhältig waren und danach erst nach Österreich reisten.

Ein knappes halbes Jahr nach Inkrafttreten der Vertriebenen-Verordnung besteht somit eine beachtliche Rechtsunsicherheit. So manche Ukrainer hat dies sogar dazu gebracht wieder in die Ukraine zurückzureisen, um dann erneut in Österreich einzureisen, um somit als ab dem 24. Februar 2022 aus der Ukraine „vertrieben“ zu gelten. Eine solche Fluchtbewegung kann schwerlich von den politischen Entscheidungsträgern bei Erlass der Vertriebenen-Verordnung bezweckt worden sein.

Valentina Arnez

Valentina Arnez

Rechtsanwältin, Partnerin
CV
Anna Ehgartner

Anna Ehgartner

Rechtsanwaltsanwärterin
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